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Wenn das Schicksal mehr als einmal zuschlägt

Was Joachim Albrecht erlebt hat, reicht für mehrere Leben – Ein neues Auto könnte seines zumindest ein wenig erleichtern

Koblenz. „Schreiben Sie ja nicht, dass ich an den Rollstuhl gefesselt bin“, sagt Joachim Albrecht. Die Floskel vom Fesseln mag er nicht hören, weil sie einfach nicht stimmt. „Der Rollstuhl ist mein Freund. Erst der Rollstuhl macht mich mobil, gibt mir Lebensqualität“, stellt der 47- Jährige klar. Und sein umgebauter Kia. Doch der alte Koreaner ist marode, vom Rost zerfressen. Keine  Chance mehr auf die nächste TÜV-Plakette, die in wenigen Wochen fällig wird. Und nun?

Ein neuer Wagen: Für den Schwerstbehinderten ist der unbezahlbar. Kostenträger, die einspringen, gibt  es nicht. Erstmals seit seinem Unfall vor fast 30 Jahren hat Albrecht Angst vor der Zukunft. Angst, künftig räumlich gefangen zu sein. Angst, einen wichtigen Teil selbstbestimmten Lebens, den er sich trotz vieler Schicksalsschläge bewahrt hat, endgültig zu verlieren. Die Hilfsorganisation unserer Zeitung HELFT UNS LEBEN will und wird den Koblenzer deshalb unterstützen.

19 Jahre alt  ist Joachim Albrecht, als er mit einem Motorrad zwischen Bettendorf und Nastätten gegen einen Baum kracht. „Wohl selbst verschuldet“, gibt er unumwunden zu. Der fünfte und sechste Halswirbel brechen beim Aufprall, Albrecht schwebt Wochen lang zwischen Leben und Tod, ist voll querschnittsgelähmt. Seither lebt er von einer schmalen Rente. Binnen weniger Sekunden wurde da nur aufgrund jugendlichen Leichtsinns ein Leben zerstört, mag da so manch Außenstehender denken. Doch Joachim Albrecht wischt sich die Tränen schnell ab. Sechs Wochen heult er am Stück. dann ist Schluss. „Wir brauchen Dich“, sagen ihm Mutter, Vater und Schwester, als er Wochen nach dem Unfall wieder ansprechbar ist. Sie wollen ihm Mut machen, zeigen, dass sein   Leben durch die Behinderung nicht wertlos geworden ist. Und sie sollen damit recht behalten – auf traurige Art und Weise. 2005 stirbt Albrechts Vater – unerwartet und plötzlich. Seine gehörlose Mutter ist nun oft auch auf die Hilfe des Sohnes angewiesen. Gleichzeitig pflegt die Mutter den jungen Mann zu Hause, hilft ihm bei der Körperhygiene und all den Dingen, die der Sohn mit seinen  zwei zu sogenanntenFunktionshänden versteiften Händen und einem nahezu bewegungslosen Körper nicht mehr leisten kann.

Immer wieder besucht auch die Schwester den Bruder, hilft, wo sie kann. Bis sie vor einigen Jahren wegen Diabetes fast das ganze Augenlicht verliert. „Nun müssen wir ihr zur Seite stehen“, sagt Albrecht. Und dann vor wenigen Monaten der nächste  Schock: „Die schlimmsten zehn Minuten meines Lebens“, offenbart Joachim Albrecht. Er liegt im Bett, als er einen dumpfen Aufprall aus dem Bad hört. Albrecht weiß sofort, dass etwas  Schlimmes passiert ist. Alleine in seinen Rollstuhl schafft er es nicht, panisch muss er warten. „Ich konnte ihr nicht helfen, nur den Notruf wählen und abwarten“, erzählt er. Die Diagnose:  Schlaganfall. Seine Mutter überlebt, bleibt aber halbseitig gelähmt – und wird zum Pflegefall.

Joachim Albrecht holt die Mutter von Nassau zu sich nach Koblenz, 50 Quadratmeter misst die  Wohnung im Wohnpark gegenüber dem Evangelischen Stift, die sich die beiden nun teilen. Das Pflegebett der Mutter nimmt das halbe Wohnzimmer ein. Lange überlegen musste er trotzdem  nicht: „Meine Mutter hat so viel für mich getan, das bin ich ihr schuldig.“ Eine größere, barrierefreie und bezahlbare Wohnung wäre ein Traum. Doch die Suche ist schwierig. „Rollstuhlfahrer sind noch unbeliebter als Kinder“, weiß Albrecht. Nicht schuldig, aber irgendwie verantwortlich, ihnen beizustehen, fühlt sich Albrecht für frisch verletzte Querschnittspatienten gegenüber im   Stiftungsklinikum. Das Krankenhaus hat ihm vor einigen Jahren einen Job als Patientenberater angeboten, 450 Euro verdient er so für die oft klamme Haushaltskasse dazu. Dabei ist seine Arbeit  eigentlich unbezahlbar wertvoll. „Ich kann drei wichtige  Worte sagen, die kein Arzt sagen kann“, weiß Joachim Albrecht: „Ich verstehe dich.“

Nur, wer selbst betroffen ist, da ist Joachim Albrecht   überzeugt, kann wirklich nachempfinden, wie es sich anfühlt, plötzlich vor einem völlig veränderten Leben zu stehen, nicht mehr zu wissen, wie es weitergeht. Vieles könne man dann auch einfach  nicht schönreden. „Man gibt seine Intimität ab, wenn man ins Krankenhaus kommt. Und man bekommt sie nie mehr zurück.“

Mit seinem Kia erhielt Albrecht  vor 13 Jahren aber  immerhin ein Stück weit seine Mobilität zurück, einen Teil seines selbst bestimmten Lebens. Der Wagen war damals schon gebraucht, aber ein Glücksfall. Einkäufe erledigen, in Urlaub fahren,  Ärzte aufsuchen oder zum Rollstuhl-Rugby-Training fahren: All das konnte Joachim Albrecht mit dem auf seine Behinderung zugeschnittenen Auto alleine bewerkstelligen. Doch nun droht ihm, von all diesen Facetten des sozialen und öffentlichen Lebens abgeschnitten zu werden. Denn weil er den Unfall damals selbst verschuldete und es sich um keinen Berufsunfall handelte, gab es  niemanden in Regress zu nehmen, und auch die Berufsgenossenschaft ist für Hilfsmittel nicht zuständig, die Albrecht braucht, sondern die Krankenkasse. Und von der gibt es keine Beihilfen und Unterstützungen für ein behindertengerechtes Auto. 70.000 Euro kostet ein Wagen, wenn er einen Rollstuhl, wie den von Joachim Albrecht aufnehmen kann. Alle Bedienelemente müssen per Hand erreichbar sein. Alleine für den Umbau werden rund 40.000 Euro fällig. Eine Summe, die Albrecht niemals mehr in seinem Leben alleine schultern könnte. Umso mehr ist er dankbar über die Unterstützung von HELFT UNS LEBEN.

Foto: Der Rost hat sich durch den ganzen Unterboden seines Autos gefressen, eine neue Tüv-Plakette gibt es nicht. Ein neuer, behindertengerechter Wagen ist für Joachim Albrecht  unbezahlbar. HELFT UNS LEBEN möchte den Koblenzer nun unterstützen. Foto: Annette Hoppen