Rettert. Kathrin Seel ist eine Powerfrau von 49 Jahren, die sich liebevoll um zwei Pflegekinder kümmert. Zwei Pflegekinder, die viele andere Familien wahrscheinlich nicht freiwillig zu sich nehmen würden, weiß die Frau aus Rettert. Denn das jüngste hat die Stoffwechselkrankheit Morbus Pompe, das ältere erlitt im Alter von nur einigen Wochen ein Schädel-Hirn-Trauma. Trotz – oder gerade wegen – dieser Behinderungen hat sich Kathrin Seel bewusst für die zwei Jungs entschieden. Beide nahmen sie und ihr Mann Franz als Babys zu sich auf: Nicklas vor zehn, Julian vor acht Jahren. Sebastian, ihr leiblicher Sohn, wurde nur acht Jahre alt. Auch er hatte eine Behinderung. Bis zu seinem Tod vor sechs Jahren war nicht bekannt, welche er hat. HELFT UNS LEBEN (HUL), die Hilfsorganisation unserer Zeitung, besuchte die Familie, um sich vor Ort ein Bild von deren Leben zu machen. Denn seit einigen Monaten ist sie mehr denn je auf Hilfe angewiesen. Ihr Auto – ein Fiat Ducato – muss abbezahlt werden. Einige Tage nach dem Besuch von HUL verschlimmerte sich die Lage der Familie weiter: Kathrin Seel kommt mit dem Wagen von der nassen Straße ab und landet im Graben – Totalschaden. Prellung an Nase und Schlüsselbein.
In der 460-Seelen-Gemeinde Rettert in der VG Katzenelnbogen im Rhein-Lahn-Kreis wohnen die Seels seit 14 Jahren. Die Umgebung ist ruhig und idyllisch. Perfekt für eine Familie mit Kindern. Doch die ländliche Lage macht ein Auto unerlässlich. Und das gestaltete sich für Familie Seel schon vor einigen Monaten zum ersten Mal als Problem. Der alte Bus wurde mit der Zeit zu eng für die beiden Jungs, die immer größer und schwerer werden. Doch ein passendes Auto ist nicht von einem auf den anderen Tag besorgt, so die Mutter. Immerhin muss es komplett umgebaut sein, sodass zwei Rollstühle Platz haben.
Also wollte die Familie in Ruhe nach einem neuen Auto suchen, überlegen, wer es umbaut und wie das alles finanziert werden kann. „Doch dann kam alles anders“, sagt Kathrin Seel und erzählt, wie sie von einem auf den anderen Tag plötzlich ohne Auto dastanden, weil die Zylinderkopfdichtung versagte. „Ich habe solche Panik bekommen und fragte mich: ,Was ist, wenn einer der beiden Jungs stürzt? Was ist, wenn einer einen epileptischen Anfall bekommt? ‚“
Von jetzt auf gleich musste also ein neues Auto her. Die Lösung hieß Fiat Ducato, war vier Jahre alt und kostete 25 000 Euro – und war schon komplett behindertengerecht umgebaut. „Wenn uns die Leute, die uns mögen, kein Geld geliehen hätten, dann weiß ich auch nicht“, sagt Kathrin Seel und schüttelt den Kopf. 12 000 Euro davon müssen noch zurückbezahlt werden. Hier kommt HELFT UNS LEBEN ins Spiel. Vorsitzende Manuela Lewentz-Twer und Geschäftsführer Hans Kary machten sich ein Bild von dieser prekären Situation. Die beiden waren sich sofort einig, dass es mehr als schön sei, dass sich die Familie so sehr für die beiden Kinder einsetzt. Somit entschieden sie sich kurzerhand dazu, sofort Entlastung zu schaffen. „6000 Euro kann HELFT UNS LEBEN direkt bewilligen“, verkündet Manuela Lewentz-Twer die guten Neuigkeiten. Kathrin Seel kann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, versucht sich aber vor ihren Kindern zu fangen und sagt: „Hier bringen Sie im wahrsten Sinne des Wortes etwas ins Rollen.“
Jetzt steht die Familie plötzlich wieder ohne Auto da. „Alle Termine mussten wir von jetzt auf gleich absagen“, erzählt Kathrin Seel völlig schockiert auf Nachfrage unserer Zeitung. „Arzttermine können wir nur durch die Hilfe von Bekannten wahrnehmen.“ Die Familie kann also nicht nur jeden Euro gebrauchen, um den Fiat Ducato abzubezahlen – auch für ein neues Auto ist sie jetzt auf jegliche Hilfe angewiesen. Denn in den kommenden Jahren möchte die Familie noch viele positive Dinge erleben. Ein Auto ist dafür unerlässlich. Auch für die alltäglichen Dinge ist sie auf ein Fahrzeug angewiesen. Nicklas und Julian besuchen die Erich-Kästner-Förderschule in Singhofen. Alle zwei Wochen bekommt Julian eine Infusion, wofür die Familie in die Mainzer Uniklinik fahren muss.
„Einige Leute sagen: ,Selbst schuld, wenn Sie sich solche Kinder ins Haus holen’“, sagt Kathrin Seel. „Aber die beiden geben mir so viel zurück.“ So wird die Mutter ein Erlebnis von vor drei Jahren nie vergessen: Julian lernte plötzlich laufen, obwohl Kinder nach Ausbruch der Krankheit Morbus Pompe dies eigentlich niemals können. „Das Witzige daran: Julian konnte nur dann beide Füße auf den Boden stellen, wenn er sich fest an den Ohren gepackt hat.“
Manuela Lewentz-Twer und Hans Kary machen der Familie Mut, dass sich hoffentlich der eine oder andere bereit erklärt zu helfen.
HELFT UNS LEBEN bittet um Spenden für die Jungen und ihre Familie. Die Bankverbindung lautet: HELFT UNS LEBEN, Sparkasse Koblenz, IBAN DE72 5705 0120 0000 0013 13, Betreff: Nicklas und Julian.
Foto: Julian (8, vorn links) und Nicklas (10) sind auf ihre Rollstühle angewiesen, benötigen also ein Auto, das groß genug ist, wenn sie mit Mama Kathrin Seel (rechts) und Au-pair-Mädchen Buhlebenkosi aus Simbabwe (Mitte) einen Ausflug machen wollen. Als Manuela Lewentz-Twer (links) und Hans Kary (hinten rechts) die Familie in Rettert vor einer Woche besuchten, um sich ein Bild von ihrer Situation zu machen, war ihre Lage nur halb so schlimm wie jetzt. Denn die Seels brauchen nicht nur Geld, um den Fiat Ducato abzubezahlen – ebenso sind sie auf jeden Euro angewiesen, um ein neues Fahrzeug zu finanzieren. Am Sonntag hatte Mama Kathrin einen Autounfall mit Totalschaden. Foto: Sabrina Rödder