Isenburg. Bei dem kleinsten Regen hält Ramona Seiler die Luft an. Der Schock über das Hochwasser am 1. Juni in ihrem Keller in Isenburg sitzt noch tief. Danach hatten sie und ihr Mann Robert noch einmal Wasser im Keller stehen. Aber wenn alles gut geht, dann passiert das so schnell nicht wieder. Die Ortsgemeinde hat einiges getan, und auf Verbandsgemeindeebene soll jetzt ein Hochwasserschutzkonzept erarbeitet werden.
„Ich hatte ahnungslos die Kinder auf dem Arm, ging in den Keller, und auf einmal machte es platsch“, erzählt Ramona Seiler. Ihr Mann Robert fühlte sich am Telefon zunächst veräppelt, als sie sagte, er müsse nach Hause kommen, es stünde wieder Wasser im Keller. Aber zum Glück war es dieses Mal sauberes, das sie relativ schnell rauskehren konnten, berichtet Seiler. Ursache war ein verstopftes Rohr, das nichts mit dem Hochwasser zuvor zu tun hatte. Da war binnen Minuten ihr Keller vollgelaufen, auf dem kompletten Grundstück stand die dreckige, braune Brühe. Wenn Seiler heute die Fotos auf dem Handy ihres Mannes betrachtet, kann sie nur noch den Kopf schütteln.
Ihr Keller ist inzwischen aufgeräumt, allein an den feuchten Wänden kann man noch sehen, wie hoch das Wasser stand. Die Bruchsteine werden noch eine Zeit brauchen, bis sie wieder trocken sind, meint Seiler. Den ersten Schimmel hat sie bereits entdeckt, obwohl Trocknungsgeräte im Keller verteilt stehen. Wenn die ausgespülten Steine wieder trocken sind, müssen sie noch neu gespachtelt werden. „Der Dreck hing in jeder Ritze“, berichtet sie. „Der Schlamm stinkt ekelhaft.“ Immer wenn ihre einjährigen Zwillinge schliefen, hat sie sich mit einem Lappen drangemacht, alles zu säubern.
Eine alte Waschmaschine und einen Gefrierschrank hat sie geschenkt bekommen, von dem Geld der Aktion HELFT UNS LEBEN, der Hilfsorganisation unserer Zeitung, hat sie einen neuen Trockner gekauft und einen Zwillingskinderwagen bestellt. Die Autositze für ihre Kinder kann sie erst aussuchen, wenn sie ein neues Auto hat, das alte ist weggeschwommen. Bisher nehmen Isenburger sie zum Einkaufen mit oder leihen ihr ein Auto. Auch ihr Dorf hat gesammelt, rund 1000 Euro sind zusammengekommen, erzählt Seiler gerührt und dankbar. Zudem haben viele beim Aufräumen geholfen und haben ihren Kindern Spielsachen für draußen geschenkt.
„Der Keller war voll“, erzählt sie. Nicht nur Kindernahrung und andere Lebensmittel sind weggeschwommen, auch ihre Weihnachtsdeko und Erbstücke von ihrem Opa, an denen sie gehangen hat. „Die Erinnerung bleibt“, sagt die 30-Jährige. „Aber da unten stelle ich so schnell nichts mehr hin.“ Immerhin ist jetzt die Elektronik der Heizung so erneuert, dass sie wieder richtig funktioniert, vorher hatten die Seilers rund zwei Wochen lang nur lauwarmes Wasser. Die Rechnung wird wohl ihre Versicherung übernehmen, die Seilers haben eine Elementarschadenversicherung, die aber nicht für alle Schäden reicht.
Draußen hatte ihr Mann tatkräftige Unterstützung, die langen Holzfinnen stehen wieder, der Hof und die Einfahrt sind neu geschottert. Der 31-Jährige hofft, dass er von seinen Maschinen wie Spalter und Sägen einige retten kann, zunächst hat er den Matsch abgelassen und sie zum Trocknen aufgestellt. Seine Frau trauert noch um ihre Rattanterrassenmöbel. Es bleibt noch viel zu tun, aber mit einjährigen Zwillingen können die Seilers immer nur von Tag zu Tag planen. „Ich könnt heulen, aber man muss weitermachen“, sagt die 30-Jährige, die befürchtet, dass auch ihre Kinder „zu viel mitbekommen haben“. Wenn die Verzweiflung überhandzunehmen droht, dann denkt sie an ihren Nachbarn. Bei dem stand das Wasser in der Wohnung, ihm ist nichts geblieben außer der Erinnerung.
Damit so etwas in Isenburg möglichst nicht noch einmal passiert, behält die Ortsgemeinde jetzt die Unterführungen im Auge, damit sie sich nicht wieder zusetzen, sagt Ortsbürgermeister Detlef Mohr. Zudem wurde der Ommelsbach ausgebaggert, rund 100 Kubikmeter Matsch abtransportiert. Aber Ramona Seiler fragt sich dennoch: „Was ist, wenn jetzt wieder so ein Schwung kommt und alles verstopft?“ Ortsbürgermeister Mohr erhofft sich vom Hochwasserschutzkonzept Maßnahmen, die das verhindern. „Aber das dauert, bis es ins Laufen kommt.“ Die Ortsgemeinde hat jetzt erst einmal eine ganze Kiste voller Sandsäcke gekauft, die befüllt an den neuralgischen Orten gelagert werden sollen. Auch die Seilers haben welche bestellt – obwohl die bei der Wucht des letzten Hochwassers bei ihnen wenig bewirkt hätten.
Foto: Ramona und Robert Seiler mit ihren Zwillingen Jannis (links) und Simon hoffen sehr auf das geplante Hochwasserschutzkonzept. An der Wand hinter ihnen ist auch zwei Wochen nach dem letzten Hochwasser noch zu sehen, wie hoch die Dreckbrühe in ihrem Keller stand. Foto: Yvonne Stock