Die erste von insgesamt 400 Familien im Ahrtal hat jetzt von HELFT UNS LEBEN eine Spende von
10 000 Euro erhalten. Leserinnen und Leser der Rhein-Zeitung hatten fast 4 Millionen Euro für die Flutopfer gesammelt. Darüber hinaus soll ein neuer Waldkindergarten in Rech unterstützt werden.
400 Familien und Einzelpersonen aus dem Ahrtal werden ab sofort durch HELFT UNS
LEBEN, die Benefizaktion unserer Zeitung, mit jeweils 10 000 Euro unterstützt. Damit schüttet
HELFT UNS LEBEN insgesamt 4 Millionen Euro aus. Die Summe speist sich aus den Spendengeldern, die die Leserinnen und Leser der Rhein-Zeitung und ihrer Heimatausgaben
sowie diejenigen befreundeter Regionalzeitungen in den zurückliegenden Wochen und
Monaten zugunsten der Flutopfer gesammelt haben, sowie (zum geringen Teil) aus einer
Zuführung aus vorhandenem Guthaben der Aktion. Damit werden alle Spenden vollständig
und ohne Abzug ausgezahlt. Die 400 Empfänger sind aus einer Vielzahl von Anträgen an
HELFT UNS LEBEN durch den Vorstand der Initiative ausgewählt worden. 160 von ihnen
wohnen in Bad Neuenahr-Ahrweiler, 160 in der Verbandsgemeinde Altenahr, 60 in Sinzig
und 20 in der Verbandsgemeinde Adenau. Sie alle werden nun zur Abwicklung der (weni‐
gen) Formalien angeschrieben. Da die Initiative ehrenamtlich arbeitet, kann die Abwicklung
noch einige Wochen dauern. „Aber bis Dezember kommt das Geld überall an“, verspricht
Vorsitzende Manuela Lewentz-Twer.
Uns geht es doch noch gut.“ Diesen Satz wird man noch öfter im Laufe des Tages hören.
Gerade fällt er am in Richtung Mayschoß gelegenen Ortsrand von Rech, wo sich eine
kleine Gruppe von Menschen versammelt: Gerhard Schreier, Beigeordneter der Ortsge‐
meinde, Ulrike Ring-Scheel, Vorsitzende des Kinderschutzbundes im Kreis Ahrweiler, An‐
gelika Görres, Anwohnerin und Architektin, und Manuela Lewentz-Twer, Vorsitzende von
HELFT UNS LEBEN.
Dort, am Ortsrand, soll eine neue Waldkindergartengruppe entstehen. Die Gemeinde will
mit ihr aus der Not eine Tugend machen. Viele Kinder können aktuell entweder gar nicht
oder nur in Nachbarorten betreut werden. „Die Kinder haben keine Normalität mehr. Für
die Eltern, die entweder mit Aufräumen beschäftigt sind und ihrem Beruf nachgehen müssen,
ist das eine große Belastung“, sagt Angelika Görres. Alle Beteiligten waren also froh,
als die Arenbergsche Forstverwaltung das Gelände unbürokratisch zur Verfügung stellte.
Aber so einfach richtet man hierzulande keinen Kindergarten ein. Auch keine einzelne
Gruppe. Betreuungsschlüssel, Höchstzahl an Kindern, deren Mindestalter, das pädagogische
Konzept – auf alles muss erst ein Stempel drauf.
Das Konzept haben sie in Rech. Es folgt dem der „Freunde der Erziehungskunst“ und so‐
mit Rudolf Steiner. Das Gelände haben sie auch. Ein Gartenbauer und freiwillige Helfer
haben dort schon Pflanzen gesetzt und Spielgeräte aufgebaut. Und abrunden soll alles ein
spezieller Bauwagen, wie er als kleines Quartier in anderen Waldkitas in Rheinland-Pfalz
bereits im Einsatz ist. Die Anschaffungskosten in Höhe von etwa 85 000 Euro übernimmt
über eine Sonderaktion HELFT UNS LEBEN, die Benefizaktion der Rhein-Zeitung. „Rund
50 000 Euro haben wir für den Wagen bereits angezahlt“, berichtet Manuela Lewentz-Twer.
Nur der Stempel fehlt. „Wenn wir in den 50ern eine solche Bürokratie gehabt hätten wie
heute, dann würden wir in Köln immer noch Kriegstrümmer schippen“, sagt Gerhard
Schreier. Und legt nach: „Man bekommt den Eindruck, dass dieses Land in Wahrheit von
der Gerichtsbarkeit regiert wird. Oder von der Angst vor der Gerichtsbarkeit.“ Ulrike Ring-Scheel ergänzt: „Alles, was zivilgesellschaftlich ist, wo Menschen Menschen einfach
helfen, funktioniert. Aber der Rest …“
Es wird für einen Moment still am Ortsrand. Augen beginnen zu schimmern. „Es fehlt im‐
mer noch das große Ganze. Im Tal baggert und buddelt weiter jeder vor sich hin“, sagt
Gerhard Schreier. Im Dezember oder Januar soll der neue Waldkindergarten mit etwas
Glück bereitstehen. „Wir machen weiter und kommen wieder“, verspricht Manuela Lew‐
entz-Twer. „Danke“, sagt Angelika Görres. Und: „Wir haben dieses Wort so oft ausgespro‐
chen in den letzten Monaten, dass wir Angst haben, es sagt nicht mehr aus, was wir
empfinden.“
Weiterfahrt nach Bachem. Dort trifft die HELFT UNS LEBEN-Gruppe auf Jasmin und Mat‐
thias Schabo. Das schwer beschädigte Haus der Altenpflegerin und des Laboranten steht
etwa 50 Meter von der Ahr entfernt. In der Flutnacht schoss das Wasser bis kurz vor die
letzte Treppenstufe zum ersten Stockwerk hinein. Dort harrten sie in der Nacht aus, mit der
lange krebskranken zweijährigen Tochter, der an Diabetes leidenden Großmutter Doris und
der Katze Kira. Als irgendwann ein vom Fluss mitgeschwemmtes Auto ins Haus hinein‐
krachte, dachten sie, das Haus stürze ein.
Aber es hielt. Weil Jasmins Eltern, von denen sie es gekauft hatten, mit einem Keller und
somit statisch supersolide gebaut hatten. „Wir haben Glück gehabt, uns geht es gut“, sagt
Matthias Schabo. In der Flutnacht lagen sie bereits im Bett, als sie ein Anruf von Jasmins
Schwester erreichte. „Warum hat man uns nicht offiziell gewarnt? Ich hätte doch sofort un‐
sere Tochter in Sicherheit gebracht“, sagt sie. Die Antwort auf diese Frage steht weiterhin
aus.
Keine Frage hingegen ist, wann die beiden wieder im Haus wohnen wollen: „nächsten
Sommer, wenn alles klappt“. Zwei Jahre hatten sie es seit 2017 renoviert, jetzt müssen sie
noch einmal komplett von vorn beginnen. „Aber dann machen wir beim zweiten Einzug
nicht noch mal die Fehler vom ersten“, sagt Matthias Schabo lachend. Aktuell haben sie
wie viele andere Probleme, entweder Handwerker oder Baumaterial zu bekommen. Die 10
000 Euro, die sie jetzt als erste von insgesamt 400 Familien im Ahrtal bekommen haben,
wollen sie in die Neuanschaffung der Haustür und der Fenster investieren. „Ihr Optimismus
und Ihre Tatkraft sind unfassbar beeindruckend“, sagt Manuela Lewentz-Twer, als sie dem
Paar den symbolischen Scheck überreicht.
„Wir haben Freunde und Familie, die uns helfen, und wir haben weiterhin uns. Uns geht es
gut“, sagen Jasmin und Matthias Schabo zum Abschied. Spätestens jetzt weiß man: Wenn
es (noch) einen Damm gegen die zweite Welle gibt, die gerade durch das Tal läuft – die
der Bürokratie und des Wartens –, dann ist es dieser Satz.
Videos zu unserem Besuch im Ahrtal finden sie im Internet unter www.ku-rz.de/flutfamilie
sowie unter www.ku-rz.de/ flutkindergarten
Fotos: Jens Weber