Bad Sobernheim. Seit in ihrem Gehirn die Aussackung (Aneurysma) einer Schlagader geplatzt ist – das war am 4. Juli 2015 – ist das Leben der Bad Sobernheimerin Heidi Stiwitz (56) aus der Bahn. Mühsam kämpft sie sich zurück. An ihrer Seite: ihr Mann Gerd (63), der sie seither rund um die Uhr pflegt. „HELFT UNS LEBEN“, Leserspendenorganisation unserer Zeitung, hilft dem Paar nun mit 3000 Euro. Das Geld ermöglicht einen weiteren Therapieaufenthalt in einer slowakischen Spezialklinik.
Herr Stiwitz, wie geht es Ihrer Frau? So weit relativ gut. Sie macht gute Fortschritte. Das Problem ist noch immer die Motorik. Das linke Bein, der linke Arm sind nur sehr eingeschränkt einsetzbar. Das Neglect-Syndrom einer nicht richtig wahrgenommenen Körperseite hält an, hat sich aber zu 90 Prozent zurückgebildet – ein Erfolg der Therapie.
Das ist auch der Grund für eine neuerliche Therapie? Ja, wir fahren am 30. Juli für 14 Tage und damit zum zweiten Mal ins slowakische Piestany, wo es die Adeli-Reha-Klinik (www-adeli-klinik.de) für neurologische Patienten aller Generationen gibt. Sie arbeitet mit modernsten Geräten und nach aktuellen Erkenntnissen – eine hochintensive Therapie mit fünf Einheiten und Stunden pro Tag.
Was ist neu an dieser Therapie? Es kommt ein sowjetischer Astronautenanzug mit Stütz- und Belastungselementen zum Einsatz. Er ist mit elastischen Seilzügen verbunden, wodurch eine der menschlichen Muskulatur ähnliche Arbeitsweise realisiert wird. Das ist patentiert und weltweit einmalig. Die Klinik wird auch von der Soonwald-Stiftung von Herbert Wirzius unterstützt; aus der Nahe-Soonwald-Region besuchen jährlich mehrere Patienten diese Klinik.
Nehmen Ihre Frau und Sie einen Fortschritt in der Genesung wahr? Ja, auf jeden Fall, vor allem durch die zweistündige Bewegungstherapie in Verbindung mit dem Anzug und drei Therapeuten. Das ist sehr anstrengend für Heidi, hat aber den Effekt, dass im Gehirn neue Synapsen gebildet werden. Einzeltherapien, Logopädie und eine Sauerstoff- wie Magnetfeldresonanztherapie gehören ebenfalls dazu. Und eine Stunde Massage zur Regeneration. Ich bin bei allen Anwendungen dabei, übernehme die Pflege, die in der Therapie nicht enthalten ist. Der positive Effekt entfaltet seine Wirkung erst, wenn wir bereits zurück sind in Sobernheim.
Wie finanzieren Sie diese aufwendige Therapie für Ihre Frau? In Eigeninitiative und durch Spenden, etwa der Soonwald-Stiftung oder von etlichen Privatleuten, durch ein Benefizkonzert, das die Outlaws in Simmertal veranstaltet haben, oder durch Firmenspenden, beispielsweise der Aufa in Bad Sobernheim. Und jetzt durch „HELFT UNS LEBEN“, über deren 3000 Euro wir uns sehr gefreut haben. Das hat uns ein wenig Luft verschafft. So können wir schon jetzt einen weiteren Klinikaufenthalt im Jahr 2018 planen.
Was ist denn mit Ihrer Krankenkasse: War sie nicht bereit, einen Beitrag zu dieser Therapie zu leisten? Meine Frau wurde im März 2017 in Göttingen an der Schädeldecke operiert; es wurde ein Implantat eingesetzt. Danach haben wir eine Anschlussreha beantragt, die jedoch abgelehnt wurde. Begründung: Meine Frau erziele keinen Therapieerfolg. Ich habe sofort Widerspruch eingelegt und alle ärztlichen Befunde eingereicht, aber die Krankenkasse meinte, ihre häusliche Therapie reiche aus. Falsch! Erst mit neuen Therapiewegen kann man auch Erfolge erzielen. Ich habe den Eindruck, dass ein Mensch in dem Moment, indem er als Profitinstrument ausfällt, ins Abseits geschoben wird. Wir haben den VdK-Kreisverband eingeschaltet und sind guter Dinge, dass sich die Position der Krankenkasse ändert. Mithilfe des VdK wurde inzwischen auch Heidis Erwerbsminderungsrente genehmigt.
Wie schaffen Sie als pflegender Ehepartner diese tägliche und enorm belastende Aufgabe? Natürlich ist es eine große Belastung, ich habe Höhen und Tiefen. Meinem Beruf kann ich nicht mehr nachgehen, die Pflege meiner Frau hat sich zu einem 24-Stunden-Job entwickelt. Aber ich komme gut damit klar. Anfangs musste sie alles lernen. Und ich auch, etwa vom Pflegedienst Bohn-Desch. Ich habe eine Pflegehilfe eingestellt, die morgens und abends eine Stunde kommt und mich unterstützt.
Was trägt durch eine solche Zeit? Der Zuspruch, die Hilfe zahlloser Menschen, lieber und treuer Freunde und Nachbarn, die an uns denken und uns Mut machen. Wir fühlen uns geborgen in dieser Gemeinschaft. Ohne sie ginge nichts. Natürlich wenden sich manche ab, aber dafür helfen andere, von denen wir es nicht erwartet hätten.
Was sagen Sie Menschen, die ebenfalls ein solches Schicksal ereilt? Kämpfen, kämpfen, kämpfen und nie aufgeben, weil eben auch wieder bessere Zeiten kommen. Vor allem: Nicht allen ärztlichen Einschätzungen glauben, die einem weismachen wollen, dass es keine Fortschritte geben wird. Wichtig: Man muss an den Erfolg glauben, aber auch etwas dafür tun. Vieles wäre sicher einfacher, wenn wir nicht den ganzen Papierkram am Hals hätten. Denn der kostet viel Kraft und Nerven, die wir für die Therapie so dringend brauchen.
Die Fragen stellte Stefan Munzlinger.
Foto: Heidi und Gerd Stiwitz (rechts) in ihrer Küche. Links: Heidis Schwager Werner Schneider (78), der das Paar fast täglich mit gutem Essen seiner Frau Ursula versorgt. Familie und Freunde stehen den beiden in ihren schweren Zeiten treu zur Seite. Foto: Stefan Munzlinger