Unnau-Stangenrod. Die Eheleute Annette und Horst Häbel aus Unnau-Stangenrod sind ein bemerkenswertes Paar: Neben einem leiblichen Sohn haben sie auch drei Adoptivkinder. Zudem leben seit Jahrzehnten immer wieder Pflegekinder mit leidvollen Biografien in ihrem Haushalt. Vor 23 Jahren bekamen Häbels einen Telefonanruf vom Jugendamt Montabaur, ob sie für ein „paar Wochen“ auch den damals zehn Monate alten, schwerstbehinderten Hieu Trung Pham aufnehmen könnten. Die „paar Wochen“ dauern bis heute an.
Annette und Horst Häbel pflegen den fast 24-Jährigen voller Liebe und Herzenswärme – mal einzeln, mal gemeinsam. Sein helles, freundliches Zimmer befindet sich direkt neben der Küche, sodass Hieu immer mittendrin im Familiengeschehen ist. Für das Leben mit dem jungen Mann vietnamesischer Abstammung sind aber ständig Sonderanfertigungen erforderlich, zum Beispiel beim Bett, beim Rollstuhl oder auch beim Familienauto. All diese Anschaffungen gehen kräftig ins Geld. HELFT UNS LEBEN, die Hilfsorganisation unserer Zeitung, wurde auf Hieus Schicksal und das Engagement der Häbels aufmerksam. Nach einem Besuch vor Ort haben die stellvertretende Vorsitzende des Hilfsvereins, Manuela Lewentz-Twer, und Geschäftsführer Hans Kary beschlossen, die Unnauer zu unterstützen.
Hieus leibliche Eltern waren vor der Wende in der DDR beschäftigt. Nach dem Fall der Mauer zogen sie zunächst mit ihrem ältesten Sohn nach Westerburg. Als die Mutter im 5. Monat mit Hieu schwanger war, hatte die ganze Familie bei Rennerod einen schweren Autounfall. Der Vater und ein Bekannter, der das Fahrzeug ohne Führerschein gesteuert hat, kamen ums Leben, die schwangere Mutter wurde verletzt. Hieu erlitt vermutlich einen Hirnschlag, der seine Behinderungen verursacht hat.
Nach der Geburt wurde die Mutter schwer psychisch krank. Hieus Bruder, der damals acht Jahre alt ist, muss sich zunehmend um alles kümmern, bis er in der Schule auffällig wird, die das Jugendamt einschaltet. Die Kinder werden von der Mutter, die in eine Psychiatrie eingewiesen wird, getrennt. Für Hieu beginnt sein neues Leben bei Annette und Horst Häbel, was sich für ihn als Glücksfall erweist.
In den Folgejahren entwickelt sich zwischen den Unnauern und der leiblichen Mutter, die ihren Jungen in guter Obhut weiß, ein vertrauensvolles Verhältnis. Auch als der vietnamesischen Familie die Abschiebung in die Heimat droht, halten sie eng zusammen. Der Fall geht sogar bis vor den obersten Kommissar des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen. Aus humanitären Gründen darf Hieu, der nicht sprechen, nicht laufen, nicht normal essen und aufgrund einer spastischen Lähmung seine Gliedmaßen nicht bewegen kann, schließlich in Deutschland bleiben, wo er deutlich besser versorgt werden kann. Die leibliche Mutter verspürt jedoch in ihrer eigenen Krankheitslage irgendwann starkes Heimweh und siedelt nach Vietnam um, wo sie 2016 stirbt.
Annette und Horst Häbel, für die die Betreuung Hieus seit Jahrzehnten starke Einschränkung für ihr eigenes Leben bedeutet (große finanzielle Aufwendungen, Verzicht auf gemeinsamen Urlaub, Verlust von Freunden oder auch lange und teils zermürbende Auseinandersetzungen mit Krankenkasse und Behörden) hat sich nie die Frage gestellt, ob sie den Jungen wieder abgeben. „Er gehört zu unserer Familie“, betonen sie. Allerdings machen sich die beiden Rentner Gedanken darüber, was aus ihm wird, wenn sie Pflege irgendwann nicht mehr leisten können. Entschädigung für alle Strapazen erfahren sie, „wenn es Hieu gut geht und er uns zufrieden anlächelt“, erzählen sie.
Auch über die von HELFT UNS LEBEN angekündigte Spende für den geplanten Spezialausbau des familieneigenen Kleinbusses mit Liege, Drehlifter und Standheizung, der der Familie Fahrten mit Hieu ermöglichen soll, freuen sich die Eheleute sehr. „Die Familie braucht Hilfe. Wir unterstützen den bewundernswerten Einsatz seiner Pflegeeltern“, erklären Manuela Lewentz-Twer und Hans Kary von HELFT UNS LEBEN. „Wir richten ein Spendenkonto ein“, kündigen sie an.
Foto: Manuela Lewentz-Twer (links) und Hans Kary (2. von rechts) vom Vorstand der Hilfsorganisation HELFT UNS LEBEN haben nach einem persönlichen Besuch
in Unnau-Stangenrod angekündigt, Hieu (im Rollstuhl) und seine Pflegeeltern Horst und Annette Häbel zu unterstützen. Foto: Röder-Moldenhauer