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Jetzt ist die Fa­mi­lie des klei­nen Fin­ley end­lich wie­der mo­bil

Ko­blenz/Ober Kos­tenz. Freu­dig und stolz zeigt der drei­jäh­ri­ge Fin­ley Seid­ler auf den wei­ßen Ford­bus, als er ge­fragt wird: „Wo steht denn dein neu­es Au­to?“ Dank Un­ter­stüt­zung der RZ-Hilfs­ak­ti­on HELFT UNS LE­BEN konn­te Fin­ley mit sei­nen El­tern Ste­fa­nie und Chris­toph Seid­ler im Ko­blen­zer Ford­s­to­re Fo­ers­ter ei­nen Ford Tour­neo Cust­om in Emp­fang neh­men. „Nach vie­len Tief­schlä­gen ist heu­te für uns ein gu­ter Tag. Jetzt sind wir end­lich wie­der mo­bil“, sagt Ste­fa­nie Seid­ler über­glück­lich. Für die sie­ben­köp­fi­ge Fa­mi­lie und ei­ne Kran­ken­schwes­ter brau­chen die Seid­lers ein Fahr­zeug mit ge­nü­gend Sitz­plät­zen.Fin­ley ist ein auf­ge­weck­ter Jun­ge, der auf den ers­ten Blick ge­nau­so fröh­lich her­um­tollt wie sei­ne Al­ters­ge­nos­sen. Doch Fin­ley kann noch nicht spre­chen, und sein Zu­stand kann sich ur­plötz­lich ver­schlech­tern. Dann muss sei­ne Luft­röh­re ab­ge­saugt wer­den, wenn er Nah­rung ver­schluckt hat, oder sei­ne Zun­ge ist in den Ra­chen ge­rutscht und blo­ckiert die At­mung. Des­halb muss er rund um die Uhr be­treut wer­den, und ei­ne um­fang­rei­che me­di­zi­ni­sche Not­aus­rüs­tung muss stän­dig in der Nä­he sein.

Fin­ley ist das jüngs­te von fünf Kin­dern der Seid­lers, die aus Nord­deutsch­land nach Ober Kos­tenz in der Nä­he des Flug­plat­zes Hahn ge­zo­gen sind. Wie sei­ne Mut­ter be­rich­tet, kam Fin­ley im April 2016 als Früh­ge­burt in der 35. Wo­che auf die Welt. Der Kai­ser­schnitt ver­lief nicht oh­ne Kom­pli­ka­tio­nen. Fin­ley muss­te da­nach in­tu­biert und re­ani­miert wer­den. „Da kämpf­te er das ers­te Mal um sein Le­ben“, sagt Ste­fa­nie Seid­ler. Nach ei­ner Wo­che In­ten­siv­sta­ti­on konn­te er auf die nor­ma­le Kin­der­sta­ti­on ver­legt wer­den. Die ärzt­li­che Dia­gno­se lau­te­te: zu wei­cher Kehl­kopf.

Zu Hau­se be­merk­ten die El­tern, dass mit dem Kind et­was nicht stimm­te. Beim Füt­tern brauch­te er mehr als ei­ne Stun­de, da er sich im­mer wie­der stark ver­schluck­te. Fin­ley be­kam plötz­lich Fie­ber, und der Kin­der­arzt über­wies ihn mit Ver­dacht auf Lun­gen­ent­zün­dung ins Kran­ken­haus nach Ko­blenz. Die Mut­ter be­rich­tet: „Hier wur­de er we­gen ei­ner Bra­dy­kar­die (ver­lang­sam­ter Herz­schlag, der zu Herz­still­stand füh­ren kann) ins künst­li­che Ko­ma ver­setzt. Au­ßer­dem wur­de ei­ne Ta­chy­dys­pnoe (er­schwer­te Atem­tä­tig­keit, die ei­nen Herz-Kreis­lauf-Still­stand zur Fol­ge ha­ben kann) dia­gnos­ti­ziert. Die El­tern er­fuh­ren au­ßer­dem, dass die Zun­ge des Jun­gen in den Ra­chen rutscht und so­mit sei­ne At­mung blo­ckiert. Au­ßer­dem, dass er ein Aspi­ra­ti­ons­kind ist. Das be­deu­tet, dass ihm un­kon­trol­liert Es­sen und Ge­trän­ke in die Luft­röh­re rut­schen. Des­halb wur­de ihm im Al­ter von acht Wo­chen ein Luft­röh­ren­schnitt mit Ka­nü­le ge­legt. So konn­te der Jun­ge lang­sam aus dem Ko­ma ge­holt wer­den.

Im Al­ter von nun drei Jah­ren gibt es für Fin­ley gu­te und schlech­te Ta­ge. An schlech­ten muss er viel ab­ge­saugt wer­den und braucht Sau­er­stoff. Das ge­sund­heit­li­che Schick­sal des Jun­gen hat für die Fa­mi­lie auch wirt­schaft­li­che Kon­se­quen­zen. Die Mut­ter er­klärt: „Für mich ist es na­he­zu un­mög­lich, auch nur stun­den­wei­se ar­bei­ten zu kön­nen, um da­mit et­was zur Fa­mi­li­en­kas­se bei­zu­steu­ern. Da­durch ist mein Mann Al­lein­ver­die­ner und ver­sucht mit Über­stun­den, das Fi­nan­zi­el­le al­lein zu stem­men.“

Kürz­lich ist das Au­to der Fa­mi­lie ka­putt­ge­gan­gen, und zur­zeit ist es fi­nan­zi­ell nicht mög­lich, ein neu­es an­zu­schaf­fen. In der länd­li­chen Ge­gend ist die Fa­mi­lie auf ein Au­to an­ge­wie­sen. An­ders sind die Be­su­che bei der Lo­go­pä­din, da­mit Fin­ley spre­chen lernt, der Er­go­the­ra­pie, beim Arzt und re­gel­mä­ßi­ge Kon­trol­len im Kran­ken­haus nicht zu leis­ten. Eben­so nicht die not­wen­di­gen Din­ge des täg­li­chen Le­bens oder ge­mein­sa­me Fa­mi­li­en­aus­flü­ge.

Die Fa­mi­lie hat­te sich be­reits an den Ver­ein Mo­bil trotz Be­hin­de­rung und an das zu­stän­di­ge So­zi­al­amt ge­wandt. Nach de­ren Aus­kunft müss­te Fin­ley, um ei­nen Zu­schuss zu be­kom­men, im Aus­weis das Merk­zei­chen G (geh­be­hin­dert) ha­ben. Fin­ley hat in sei­nem Aus­weis aber „nur“ das Merk­zei­chen H (ab­so­lu­te Hilfs­lo­sig­keit).

Nach zahl­rei­chen er­geb­nis­lo­sen ei­ge­nen Be­mü­hun­gen wand­te sich die Fa­mi­lie in ih­rer Not an HELFT UNS LE­BEN. Die El­tern er­klär­ten: „Wir ha­ben bis jetzt im­mer al­les al­lein ge­schafft und ge­re­gelt. Wir kämp­fen je­den Tag. Aber wenn im­mer wie­der neue Stei­ne auf dem Weg lie­gen, ver­liert man den Mut und die Zu­ver­sicht.“

RZ-Mar­ke­ting­lei­te­rin und HUL-Vor­stands­mit­glied An­ne Schat­t­ner er­klärt: „Das Schick­sal von Fin­ley und sei­ner Fa­mi­lie hat uns sehr be­rührt. Nach ein­ge­hen­der Dis­kus­si­on im HUL-Vor­stand ha­ben wir be­schlos­sen, hier zu hel­fen. Ins­be­son­de­re, weil die Fa­mi­lie sich selbst be­müht hat und weil wir hier wie­der ei­nen Fall ha­ben, wo kei­ne staat­li­che In­sti­tu­ti­on hel­fen kann.“

Foto: Schwer kran­ker drei­jäh­ri­ger Jun­ge muss im­mer wie­der zum Arzt, doch für ein neu­es Au­to fehlt das Geld – Dank HELFT UNS LE­BEN fas­sen die Seid­lers wie­der Mut. Foto: Winfried Scholz

HUL-Vor­stands­mit­glied Prof. Dr. Pe­ter Bil­lig­mann er­läu­tert den Fall aus me­di­zi­ni­scher Sicht:

Das Be­son­de­re an Fin­ley Seid­lers Fall ist, dass es zwar Sym­pto­me, aber kei­ne ein­deu­ti­ge Dia­gno­se gibt. Fest steht, dass er be­reits nach der Ent­bin­dung in­tu­biert und re­ani­miert wer­den muss­te und nach ei­ner Wo­che In­ten­siv­sta­ti­on mit der Dia­gno­se „wei­cher Kehl­kopf“ ent­las­sen wur­de. Die so­ge­nann­te La­ryn­go­ma­la­zie ist ei­ne an­ge­bo­re­ne Er­wei­chung (Ma­la­zie) des Kehl­kop­fes (La­rynx) und be­darf in der Re­gel kei­ner The­ra­pie. Im Ver­lauf der ers­ten bei­den Le­bens­jah­re här­tet das Kehl­kopfske­lett aus. In sel­te­nen Fäl­len ist kurz­fris­tig ein Luft­röh­ren­schnitt er­for­der­lich. Fin­ley al­ler­dings ist be­reits drei Jah­re alt und lei­det noch im­mer an den Sym­pto­men ei­nes wei­chen Kehl­kop­fes. Nur mit ei­nem dau­er­haf­ten Luft­röh­ren­schnitt kann er über­le­ben. Zu­dem ist er ein so­ge­nann­tes Aspi­ra­ti­ons­kind. Es­sen und Ge­trän­ke rut­schen un­kon­trol­liert in die Luft­röh­re, so­dass er sich per­ma­nent ver­schluckt – mit der Ge­fahr, dass Nah­rungs­mit­tel in die Lun­ge ge­lan­gen kön­nen. Wer­den Kehl­kopf und/oder Luft­röh­re ver­engt, kann es zu Atem­not, bei le­bens­be­droh­li­cher Ver­le­gung der Luft­röh­re zu mas­si­ver Luft­not kom­men. Dar­über hin­aus lei­det Fin­ley an ei­ner Schlaf­apnoe, bei der nachts die Ra­chen­mus­ku­la­tur so er­schlafft, dass die Zun­ge in den Ra­chen rutscht und die At­mung blo­ckiert. Im schlimms­ten Fall kann das ei­nen Herz­still­stand zur Fol­ge ha­ben.