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Kollegen helfen Winzern an der Ahr

Rhein-Hunsrück. Die Hilfsbereitschaft für die Opfer der Flutkatastrophe an der Ahr ist immens. Gerade auch der Weinbau, der die Region so stark prägt, ist erheblich betroffen. Derzeit laufen in den übrigen deutschen Weinanbaugebieten verschiedene Projekte an, um die Kollegen an der Ahr zu unterstützen, auch am Mittelrhein.

Gerade die Rotweine von der Ahr haben einen hervorragenden Ruf. Mit rund 560 Hektar Fläche ist das Anbaugebiet eines der kleinen unter den 13 Anbauregionen in Deutschland, allerdings ist die Ahr das größte zusammenhängende Rotweinanbaugebiet Deutschlands und gerade für gehaltvolle, zugleich elegante Spätburgunder bekannt. Mehr als 80 Prozent der Fläche ist mit roten Rebsorten bestockt. Und dort drängt derzeit die Arbeit: Im Weinberg gibt es von der Laubarbeit bis zum Pflanzenschutz enorm viel zu tun, gerade auch, weil die Witterung der vergangenen Wochen im Weinanbau einen erhöhten „Pilzdruck“ mit sich gebracht hat.

Helfende Hände werden gebraucht:

Überall haben die Winzer dieser Tage viel Arbeit – an der Ahr haben sie aber vor allem existenzielle Nöte. Viele Winzerbetriebe sind zerstört, Flaschenlager und Kellereien sowie technisches Equipment gibt es nach der verheerenden Katastrophe schlichtweg oft nicht mehr. Während die Familien und Inhaber der Betriebe noch mit den gröbsten Aufräumarbeiten beschäftigt sind und noch nicht einmal die Zeit haben, um den Schock der Katastrophe innerlich zu bearbeiten, fordern die Weinberge eigentlich ihre Aufmerksamkeit – überall werden Hände gebraucht.

Auf drei Ebenen kommt Hilfe aus den anderen deutschen Weinanbaugebieten an die Ahr: personell, technisch und wirtschaftlich. Beteiligt sind verschiedene Winzer vom Mittelrhein, Weinfreunde aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis und das Simmerner Unternehmen ERO. Bereits früh hat der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) zu Spenden für die Ahr-Winzer aufgerufen, Anfang der Woche wurde vom rheinhessischen Betrieb St. Antony dann eine Kiste der „Solida(h)rität“ geschnürt. Idee: Weinfreunde sollten ihre Unterstützung für die Ahr durch den Kauf eines Überraschungspakets zeigen, das beim VDP-Betrieb St. Antony gepackt wird. Welche sechs Flaschen dann in jedem Paket landen, ist offen – je nachdem, woher gerade eine Spende von Flaschen kam. Viele Betriebe stellten dafür Weine zur Verfügung, darunter Winzer von der Nahe, aus Rheinhessen, von der Mosel und vom Mittelrhein.

In einem exemplarischen Telefonat mit der Oberweseler Winzerin Christiane Lambrich wird rasch deutlich, wie groß das Engagement der Kollegenschaft für die Ahr-Betriebe ist. Vom Weingut Goswin Lambrich wurden 90 Flaschen Riesling „Vollsteil“ zu St. Antony geschickt, viele weitere Winzer am Mittelrhein stellten ebenfalls zahlreiche Spendenflaschen für diese Aktion zur Verfügung. Welchen Erfolg St. Antony mit dem Paket der „Solida(h)rität“ hat, zeigte sich nach zwei Tagen, als bereits alle 10 000 Pakete vergriffen waren. Insgesamt 650 000 Euro kommen so zusammen – und jede Menge Arbeit, denn die eingehenden Spenden von Dutzenden Winzern und Lieferanten müssen sortiert, verpackt und versendet werden. „Viele Winzer vom Mittelrhein haben sich beteiligt“, sagt Lambrich. „Das ist einfach eine tolle Idee.“

Umsatz für HELFT UNS LEBEN:

Wie die Dellhofener Winzerin weiter berichtet, stellen derzeit auch verschiedene Betriebe einen Teil ihres bis zum Monatsende erzielten Umsatzes als Spende zur Verfügung, darunter die Weingüter Goswin Lambrich und Dr. Randolf Kauer in Bacharach. Bei Lambrich fließen 5 Prozent an das Projekt HELFT UNS LEBEN, die große Spendenaktion unserer Zeitung, bei Kauer sind 10 Prozent. Neben der finanziellen Unterstützung sind vor allem auch technische Hilfe und die Unterstützung durch Personal gefragt. Kurz nach Bekanntwerden des verheerenden Ausmaßes der Flut hat der Simmerner Weinbaugerätehersteller ERO die Betriebe an der Ahr dazu aufgerufen, sich bei Hilfsbedarf zu melden. „Fassungslos hören wir die Berichte von den Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe an der Ahr“, erklärt Geschäftsführer Michael Erbach. „Um wenigstens dazu beizutragen, die diesjährige Ernte zu retten, wollen wir den betroffenen Winzerinnen und Winzern schnelle und unkomplizierte Unterstützung anbieten.“ Angeboten wird, dass defekte ERO-BINGER-Maschinen repariert oder auch Leihmaschinen zur Verfügung gestellt werden. ERO offeriert zudem, Lohnunternehmer zur Erledigung anstehender Arbeiten in die Krisenregion zu entsenden. „Angesichts der dramatischen Situation und im Wissen, dass es nur ein kleiner Beitrag zur Bewältigung der katastrophalen Situation ist, übernehmen wir sämtliche Kosten dieser Aktion“, erklärt ERO. Genauso pragmatisch werden derzeit Hilfsangebote personeller Art am Mittelrhein organisiert. Heinz-Uwe Fetz, Präsident des Weinbauverbandes Mittelrhein, empfindet es als absolut selbstverständlich, den betroffenen Kollegen zur Seite zu stehen.

Selbstverständlicher Einsatz

Fetz möchte auch viel lieber nachhaltig helfen als darüber sprechen. An diesem Wochenende soll ein erster Trupp an Helfern aus dem Anbaugebiet Mittelrhein an die Ahr reisen, um in den Weinbergen drängende Arbeiten zu verrichten. Weitere Aktionen mit größerer Mannstärke werden für die kommende Woche gerade vorbereitet. Fetz ist froh, dass es eine Koordinierungsperson gibt, die an der Ahr als Ansprechpartner dient – denn die Hilfe soll zielgerichtet sein und dazu beitragen, dass es trotz der brutalen Entwicklungen der vergangenen Tage möglich sein wird, eine Ernte einzufahren. Trotz der Flut soll es im Weinbau an der Ahr weitergehen, auch in diesem verheerenden Jahr soll es Wein geben. Volker BochANZEIGE

Foto: Das massiv getroffene Ahrtal ist umgeben von steilen Weinbergen. Die Lagen des vor allem für seine Rotweine bekannten Gebietes müssen allerdings dringend gepflegt werden, damit in diesem Jahr eine Ernte möglich sein kann. Dafür brauchen die Winzer am Ort jetzt dringend Hilfe. Foto: dpa